Frostbitten
Vor nicht allzu langer Zeit
lebte ein Junge, der unaussprechliches getan hat. Dieser Junge war nicht mehr
im Stande Gut und Böse zu unterscheiden. Es ist einfach zusammen gefroren.
Alles fing in einer schönen
Mondnacht an. Er lag auf dem feuchten Gras, starrte die Sterne an. Fragte sich,
ob dieses mal alle weg wären. Fragte sich wie es wäre, wenn er weg wäre. Würde
er es spüren? Würde er die Trauer der anderen fühlen? Das alles ging ihm in
dieser Nacht durch den Kopf. Er merkte nicht, dass er beobachtet wurde. Vom
dunklen Schatten des Selbst. Er wurde überall verfolgt. Nur hatte er das nie
bemerkt. Doch er würde es noch bemerken.
Als ihm allmählich kalt
wurde, schlenderte er gemütlich nach Hause. Wo war sein Zuhause? Es war hinter
dem wunderschönen von den Sternen erleuchtenden Wald. Der Tau der sich in
dieser kühlen Sommernacht bildete funkelte wie wild. Er war fasziniert.
Er beobachtete die
klitzekleinen Tröpfchen, doch plötzlich
verschwand das Funkeln. Und seine Faszination wuchs. Alles um ihn herum
erschauderte. Ein kühler Wind blies durch die grossen, alten Tannen. Er spürte
etwas auf seiner Hand. Es war eine atemberaubend schöne, kalte Schneeflocke. Er
fühlte die Kälte, und dachte sich, so müsse es sich anfühlen, wenn man nicht
mehr hier ist. Tot ist.
Der Wald wurde in Sekunden
von einer glitzernden Schneeschicht umhüllt. Er lachte.
In diesem Augenblick sah er
ihn. Den tiefschwarzen Schatten, sein Schatten. Er konnte es nicht fassen, dass
er all die Jahre ohne Schatten gelebt hatte. Wie konnte das sein? Die
Fröhlichkeit von vorhin erlosch augenblicklich in ihm, nun brodelte die blosse
Wut. Er merkte nicht, dass der Schatten, nun da sie vereint waren, die Macht
über sein Herz erlangt hatte. Ab dieser Nacht war nichts mehr gleich.
Am nächsten Morgen fühlte er
sich anders. Er konnte nicht hier bleiben bei seiner Mutter. Er konnte ihre
Stimme nicht hören, ihren Geruch nicht riechen, ihre Schönheit nicht ansehen. Die
Liebe, die sie für ihn empfand, war wie ein Messerstoss in seiner Brust. Er verliess
seine Mutter. Das letzte, was er von ihr sah, waren ihre kühlen blauen Augen,
die ins Leere starrten vor Entsetzen. Er ging nicht ohne ein Andenken an seine
Mutter. Er wollte sie in Erinnerung behalten. Er nahm sich das, was seine
Mutter ihm immer gegeben hatte.
Einmal tief Luft holen. Die
alte Holztür seines Zuhauses hinter ihm fiel ins schloss. Nahm sein Andenken,
betrachtete es und küsste es zum Abschied.
Seine Mutter war von diesem
Tag an für immer herzlos.
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